Interview

Eisenbahn, Heide und Handwerk: Geschichten, die die Region prägten

Interview mit Dieter v. P. und Manfred M. vom Geschichts- und Museumsverein Buchholz u. U. (GMV)

Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt, uns einen Einblick ins Museumsdorf Seppensen und in die neue Ausstellung „Zügig in die Zukunft“ zu geben. Zwischen historischen Gebäuden, liebevoller Vereinsarbeit und einer modernen Ausstellung gibt es hier wirklich viel zu entdecken – da wollen wir natürlich mehr erfahren!

Wie und wann ist das Museumsdorf in Seppensen eigentlich entstanden?

Es begann Ende der 70er – die alte Holmer Mühle sollte abgebrannt werden, ausgerechnet als Feuerwehrübung! Zum Glück formierte sich Widerstand: 1974 gründeten engagierte Bürger einen Verein, übernahmen 1977 die Mühle und legten damit den Grundstein für den GMV.
Aus dieser Initiative entwickelte sich im Laufe der Zeit das Museumsdorf Seppensen: Auf dem Grundstück mit der alten Dorfschule entstand zunächst der Grundstein für das Museumsdorf. Gebäude aus benachbarten Gemeinden wurden anschließend professionell abgebaut, eingelagert und in Seppensen wieder aufgebaut. So entstand ein Ensemble historischer Bauwerke. Heute bewahren wir dort nicht nur die Geschichte der Region, sondern machen sie durch Ausstellungen, Veranstaltungen und Aktionen wie zum Beispiel unsere Backtage für Jung und Alt lebendig. Das Museumsdorf ist inzwischen ein wichtiger kultureller Treffpunkt in Buchholz, der Geschichte erfahrbar und erlebbar macht.

Unser Bauernhaus, das Sniers Hus zeigt anschaulich die traditionelle Architektur der Nordheide.

Welche historischen Gebäude können Besucher bei euch entdecken? Mögt ihr uns erzählen, wie die Häuser früher genutzt wurden – und wie ihr sie heute in Szene setzt?

Ein Rundgang durchs Museumsdorf ist wie eine kleine Zeitreise. Gleich am Anfang steht die alte Dorfschule von 1880, in der fast hundert Jahre lang Kinder die Schulbank drückten. Heute findet man hier unsere Ausstellung „Zügig in die Zukunft“ – ein schöner Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Nur ein paar Schritte weiter wartet das Bauernhaus Sniers Hus. Vor gut hundert Jahren wurde hier noch ohne fließendes Wasser, Schornstein oder Heizung gekocht – auf offenem Feuer mitten im Haus. Heute ist es ein vielseitiger Ort: Musik und Lesungen füllen die Räume und Paare geben sich hier das Ja-Wort.
Geht man weiter, öffnet sich der Blick auf die große Durchfahrtsscheune. Früher war sie gefüllt mit Heu, Getreide und Vieh, heute stapeln sich hier alte Geräte, die von der bäuerlichen Arbeit erzählen. Und in einem kleinen Nebenraum erfährt man alles über die Bienenhaltung.
Weiter hinten lockt das Backhaus von 1840. Wenn an Backtagen der Butterkuchen im Ofen aufgeht, duftet es über den ganzen Dorfplatz – ein Magnet für Besucher. Gleich daneben summt es: Zwei Vereinsimker kümmern sich dort um die Bienenvölker und geben spannende Einblicke ins Leben im Stock.
Ein paar Schritte weiter lodert das Feuer in der Dorfschmiede. Sie wurde 2014 mit Originalwerkstatt aufgebaut und ist seitdem ein echter Besuchermagnet. Wenn die Funken sprühen und die Schmiede ihre Hämmer schwingen, bleibt kaum jemand lange Zuschauer – viele greifen selbst zum Hammer und schmieden ihr erstes eigenes Stück.
Zum Schluss führt der Rundgang zum Dorfbrunnen. Früher mussten die Bewohner hier mit viel Muskelkraft ihr Wasser schöpfen. Heute ist er ein Symbol für Gemeinschaft – und erinnert daran, dass ein Dorfleben ohne Brunnen einst undenkbar war. So reiht sich im Museumsdorf Haus an Haus, Geschichte an Geschichte – und zusammen entsteht ein lebendiges Bild vom Alltag vergangener Zeiten.

Die alte Dorfschule und Ausstellung "Zügig in die Zukunft".

Wie kam es zu der Idee, den Wandel vom Heidedorf zum Bahnknotenpunkt in einer Ausstellung zu zeigen? Warum war gerade dieser Schritt für Buchholz so wichtig?

Früher war in den Räumen – das war übrigens mal die Lehrerwohnung – ein kleines Heimatmuseum. Nach der Sanierung haben wir unsere Mitglieder gefragt, was sie sich dort wünschen. Die Antwort war klar: Die Entwicklung von Buchholz sollte gezeigt werden. Ursprünglich war Buchholz nämlich nur ein winziges Heidedorf mit etwa 350 Einwohnern. Mit der Eisenbahn kam der große Umbruch: Arbeiter und ihre Familien zogen her, es entstanden Läden, Straßen und Infrastruktur. So wuchs Buchholz zur größten Stadt im Landkreis Harburg – ein echter Sonderfall in Norddeutschland. Als der Güterbahnhof 1977 schloss, geriet diese Geschichte fast in Vergessenheit. Genau deshalb erzählen wir sie heute wieder – mit Tafeln, Exponaten, Videos und einer Fotostation, die die Besucher mitten in diese Zeit zurückversetzt.

Buchholz damals – historische Eindrücke aus der Ausstellung.

In der Ausstellung liegt eine riesige, begehbare historische Landkarte – das ist wirklich ein Hingucker. Was hat es damit auf sich? Und warum müssen alle Filzpantoffeln anziehen, bevor es losgeht?

Ja, das ist wirklich ein Hingucker! Es handelt sich um drei historische Karten aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1764 bis 1786 – also aus der Zeit von Kurfürst Georg III., der gleichzeitig auch König von Großbritannien war. Wer darüberläuft, macht im Grunde eine kleine Zeitreise: Man sieht, wie riesig damals die Heidelandschaft war, etwas, das heute fast verschwunden ist. Und weil die Karten direkt auf dem Boden liegen und auf einer Spezialanfertigung gedruckt sind, gibt’s die Pantoffelpflicht – so bleibt alles lange erhalten.

Wie reagieren Besucher auf die Ausstellung? Gab’s schon überraschende Aha-Momente oder besonders schöne Rückmeldungen?

Die meisten kommen mit der Erwartung, ein klassisches Heimatmuseum zu sehen – ein paar alte Exponate, vielleicht etwas Geschichte zum Nachlesen. Und dann staunen sie, weil sie etwas ganz anderes vorfinden. Besonders die große Fußbodenkarte sorgt für Aha-Momente: Manche entdecken dort ihren eigenen Wohnort – damals noch mitten in der Heidelandschaft oder auf offener Ackerflur. Wenn dann per Lichtinstallation die heutige Bebauung eingeblendet wird, wird vielen erst richtig klar, wie rasant sich Buchholz verändert hat. Sehr beliebt ist auch unsere Fotostation: Da versinken Besucher oft minutenlang in alten Aufnahmen von Häusern, die es längst nicht mehr gibt, die sie aber noch aus ihrer Kindheit kennen. Vor allem ältere Gäste beginnen dann, ihre eigenen Geschichten zu erzählen – und genau diese Erinnerungen sind für uns ein echter Schatz.

Welche Veranstaltungen oder Aktionstage gibt es regelmäßig bei euch im Museumsdorf?

Bei uns ist eigentlich immer was los! Besonders beliebt sind die Backtage – da duftet das ganze Dorf nach frischem Butterkuchen, und Besucher können selbst mit anpacken. Zu den Höhepunkten zählt unser großes Dorf- und Museumsfest mit Konzerten, Flohmarkt und Mitmachaktionen. Wer mag, kann alte Schriften lesen lernen, Spinnen ausprobieren oder in der Schmiede hautnah erleben, wie früher geschmiedet wurde, ebenso die Heidekultour, verschiedene Konzerte, Flohmärkte und unsere Mitmachaktionen für Kinder.

Und was bietet ihr speziell für Kinder oder Schulklassen an? Wie bringt ihr Geschichte jungen Besuchern näher?

In diesem Jahr setzen wir besonders auf Mitmachaktionen bei unseren Mahl- und Backtagen. Die Kinder können selbst Korn zu Mehl mahlen, beim Spinnen oder Schmieden mithelfen, basteln oder alte Spiele ausprobieren. Das Beste daran: Sie dürfen ihre kleinen Werkstücke sogar mit nach Hause nehmen!
Auch unser jährliches Dorf- und Museumsfest lädt Familien ein, richtig in die Tradition einzutauchen. Mittelalter-Kaufleute, Ritter und viele Mitmachstationen geben einen lebendigen Einblick in vergangene Zeiten – das begeistert Groß und Klein.

Für 2026 haben wir ein ganz neues Programm für Schulklassen und Kindergruppen geplant. Hier geht es ums Kochen wie früher, Handwerken, Basteln, Weben, Kräuterkunde, Plattdeutsch lernen und natürlich ums Mahlen von Korn zu Mehl. Kinder können so hautnah erleben, wie das Leben vor 100 Jahren aussah.
Wer es etwas ruhiger mag, kann sich für unsere Mahlvorführungen in der Holmer Mühle anmelden – auch speziell für Gruppen und Schulklassen bieten wir diese Führungen an.

Wenn ihr uns einen Ausflugstipp in der Region geben würdet – was sollte man rund um Buchholz unbedingt mal gesehen oder erlebt haben?

Da gibt’s echt einiges, zum Beispiel den Alaris-Schmetterlingspark – direkt bei uns um die Ecke. Schon beim Betreten merkt man, wie besonders dieser Ort ist: Überall flattern bunte Schmetterlinge umher, und man kann ihnen ganz nah kommen, die Farbenpracht bewundern und einfach einen Moment in der Natur genießen.

Für alle, die sich für Handwerk und Technik begeistern, ist die Museumsstellmacherei in Langenrehm ein echtes Highlight. Dort sieht man noch genau, wie früher Wagenräder gebaut wurden – die Präzision, die Arbeit mit Holz und Metall und die alten Techniken zu erleben.

Vielen Dank für das schöne Gespräch und die spannenden Einblicke! Es ist toll zu sehen, wie viel Herzblut und Engagement hier steckt – und wie Geschichte bei euch lebendig wird. Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Besuch!

Mehr über das Museumsdorf erfahrt ihr in unserem Beitrag: landspatz.de/tipps/museumsdorf-seppensen/